Winterschäden und Fischkrankheiten
Liebe Angelfreunde
Was man weiß, was man als guter Angler wissen sollte. Eine kleine Hilfe für alle Hobbybiologen und angehenden Tierärzte:
Fischsterben durch Sauerstoffmangel unter Eis W.
Hallo liebe Fischersfreunde,
alarmiert durch Anrufe von besorgten Gewässerwarten, die akuten
Sauerstoffmangel in ihren stehenden Gewässern befürchten, ja schon tote oder
hochgradig unter Atemnot leidende Fische ausgemacht haben, schreibe ich
Ihnen diesen Rundbrief in der Hoffnung, dass er Ihnen helfen möge, sofern Sie
betroffen sein sollten.
Tiefe, große Seen sind in der Regel weniger problematisch: Das große
Wasservolumen stellt genügend Sauerstoff bereit, um die biologischen
Abbauprozesse und die Atemtätigkeit von Fischen, Krebsen, Würmern und
Muscheln zu sichern. Flache Seen dagegen, die oft nur wenige Meter tief sind,
haben ein vergleichsweise geringes Wasservolumen und damit auch geringere
Sauerstoffvorräte. Und wenn der Winter lange dauert, das Gewässer lange
zugefroren ist, kann schon mal der Sauerstoff knapp werden. Dazu kommt, dass
auch Kohlendioxid und andere, auch schädliche Gase, nicht entweichen können,
so dass den Fischen in doppeltem Sinne das Leben schwergemacht wird: Zum
einen leiden sie an Sauerstoffmangel, zum anderen führen schädliche Gase zu
Vergiftungserscheinungen oder verändern andere wichtige Wasserparameter,
z.B. den pH-Wert. Dazu zwei Zahlen: Unter reiner Sauerstoffatmosphäre lösen
sich gerade mal knapp 70 mg/l Sauerstoff, unter reiner Kohlendioxidatmosphäre
lösen sich aber 3.350 mg/l Kohlendioxid, und ein Teil davon liegt immer als
Kohlensäure vor. Glücklicherweise wird beim Eintrag von Sauerstoff durch
mechanische Belüftung gleichzeitig meist ein Überangebot von Kohlendioxid
ausgetrieben, so dass man zwei Fliegen mit einer Klappe trifft.
1. So geht es nicht:
In Fischereikreisen kursieren die abenteuerlichsten Vorstellungen darüber, wie
man in zugefrorene Seen Sauerstoff eintragen kann. Da gibt es z.B. den
Vorschlag, ein Bündel Schilf aufrecht in ein ins Eis geschlagenes Loch zu
stellen; das soll den bedrohten Fischen Sauerstoff zuführen, gleichzeitig
Faulgase ableiten! Mit dieser Methode sind schon viele Fische umgebracht
worden. Vielleicht hält sich diese Methode deshalb so hartnäckig! Spaß beiseite:
Solange das Loch offen ist, kann sicher dort anfallendes Faulgas (auch:
Kohlendioxid) entweichen, vielleicht sogar etwas Sauerstoff ins Wasser
eindiffundieren. Doch gelöst ist mit der Methode keines der Probleme, weil das
kleine Loch gleich wieder zufriert, und die Sache hat sich.
2. So ist es gefährlich, u. U. sogar schädlich:
Vor einigen hundert Jahren, zu Beginn meiner Tätigkeit in der Fischerei, haben
wir das Problem mit Axt und Feuerwehr „gelöst“: Wir schlugen einige
Eislöcher, und mit kräftigem Strahl wurde das angesaugte Wasser in hohem
Bogen in die Luft, auf das Eis oder direkt in den See zurückgespritzt.
Die Axt: Die kräftigen Schläge haben die Fische aus ihrer Winterruhe
aufgeschreckt, ihren Stoffwechsel angekurbelt, die Atmung intensiviert. Das
Ergebnis waren höherer Energie- und höherer Sauerstoffverbrauch, und im
Frühjahr gab es dann das damals für uns zusammenhangslos unerklärbare,
rätselhafte Karpfensterben. Schlittschuhläufer und Eisfeste können das gleiche
Ergebnis bringen. Heute weiß man, dass solche Ereignisse den Energiehaushalt
der Fische enorm belasten, und im folgenden Frühjahr gehen sie dann oft
symptomlos ein, wenn ihnen die Energie fehlt, die sie zur Kompensation der mit
schnell steigenden Temperaturen verbundenen Stresssituationen brauchen (siehe
Schreckenbach). Wenn Sie nachempfinden wollen, wie sich Axthiebe auf Eis
auf die Fische auswirken, dann können Sie folgenden Versuch machen: Strecken
Sie ihren Kopf in der Badewanne unter Wasser, bitten Sie Ihre Frau, mit der
flachen Hand aufs Wasser zu schlagen, und sie werden überrascht sein, wie sich
das anhört! Und die von der flachen Hand erzeugte Druckwelle ist noch kein
Vergleich mit der Wirkung der Axt, die sogar über große Entfernungen die
Fische trifft!
Die Feuerwehr: Wasser, das in die kalte Winterluft versprüht wird, nimmt sicher
Sauerstoff auf, gibt Kohlendioxid ab. Aber es wird auch kälter! Wenn es dann
über die Eisfläche rinnt oder direkt dorthin versprüht wird, kann es so kalt
werden, dass die Temperatur zum Problem wird. Dazu kommt, dass mit
kräftigem Strahl direkt ins Wasser Schlamm aufgewirbelt werden kann, was die
Situation für die Fische (und andere Wassertiere) nochmals verschlimmert.
3. So ist es richtig:
Die Natur hilft uns: Solange das Eis durchsichtig ist, also das Sonnenlicht durch
das Eis hindurch ins Wasser einfallen kann, solange gibt es dort i. d. R. keine
Probleme. Die Algen und andere Wasserpflanzen betreiben dann auch unter Eis
Photosynthese und reichern so das Wasser mit Sauerstoff an. Nur wenn das Eis
schneebedeckt und / oder milchig trüb ist, also das Licht abhält, ist die
Sauerstoffproduktion (und gleichzeitig der Kohlendioxidverbrauch) gestoppt,
und es kann zu kritischen Situationen kommen. Ein Versuch brachte mir
eindeutige Ergebnisse:
Meine drei nebeneinanderliegenden Weiher waren damals mit einer ca. 20 cm
dicken Eisdecke zugefroren. In Weiher l waren keine, in Weiher 2 und 3 je ca. 5
Zentner Fische gehältert. Etwa zur Jahreswende waren die Sauerstoffwerte
durchweg auf 3-4 mg/l gefallen. Daraufhin wurden Weiher 2 und 3 etwa auf der
halben Fläche vom Schnee befreit, Weiher 1 aber wurde zugeschneit (also im
Wasser dunkel) belassen. Nach weiteren 2 Wochen lagen die Werte von Weiher
2 und 3 bei 5 mg, nach 3 Wochen sogar bei 6 mg/l; der zugeschneite Weiher 1
aber war bei einem Sauerstoffgehalt von Null angelangt. Wären dort Fische
gewesen, wären sie alle erstickt. So kann mit wenig Aufwand (ein paar Stunden
Schneeschippen) das Sauerstoffproblem gelöst werden.
Wenn Sie Schlittschuhläufer abhalten wollen: Schippen Sie die Eisfläche blank,
streuen Sie einige Eimer nassen Splitt auf die freie Eisfläche, der friert fest
(kann also nicht mehr abgekehrt werden) und das Problem ist gelöst.
Wenn das Eis mit zahlreichen kleinen Luftblasen versetzt weiß erscheint (auch:
gefrorener Schnee), dann ist der Lichteinfall eingeschränkt. In solchen Fällen
kann man mit einer Säge größere Schollen herausschneiden und unter die
benachbarte Eisdecke schieben. Das Wasser friert dann zwar erneut zu, aber das
neue Eis ist kristallklar, das Licht kann hindurch und die Photosynthese (sprich:
Sauerstoffproduktion + Kohlendioxidverbrauch) ankurbeln (damit niemand auf
den erst dünnen Eisschichten zu Schaden kommt bitte an Vorsichtsmaßnahmen
denken!).
Wie man speziell mit gefährdeten Baggerseen umgehen kann, dazu später mehr.
4. Das ist notwendig:
Damit Sie erkennen können, wie groß die Gefahr für Ihre Fischbestände ist,
müssen jetzt regelmäßige Messungen sein. Am einfachsten geht das natürlich
mit gut gewarteten elektrischen Messgeräten, deren Sonden man in die
gewünschten Tiefen versenken kann; aber auch die „Tröpfchenmethode“ ist
meist sehr zuverlässig und hat sogar den Vorteil, nicht von möglichen
Eichfehlern behaftet zu sein. Wo und wie man in solchen Fällen die Proben
fachgerecht entnimmt und keine Messfehler produziert (und welche Werte als
kritisch einzustufen sind) ist in „Gewässergüte bestimmen und beurteilen“, 4.
Auflage, Verlagsgesellschaft Fisch und Umwelt, Stuttgart, (24 ?) differenziert
beschrieben.
Der VDSF bietet das Kompaktlabor für alle gängigen Parameter (incl.
Sauerstoff) an, aber auch einzelne Sätze (z.B. Sauerstoff) sind getrennt
erhältlich. Und aus einem reichhaltigen und qualifizierten Angebot an
elektrischen Geräten und Zubehör können Sie das auswählen, was Sie vor Ort
brauchen (z.B. verschiedene Kabellängen). Unter „vdsf-gmbh@t-online.de„
können Sie entweder bestellen oder Prospektmaterial anfordern. Herr Schwab
schickt Ihnen dann gerne alles zu.
In der Hoffnung, dass Sie zusammen mit Ihren Fischbeständen den Rest des
Winters gut überstehen grüße ich Sie ganz herzlich!
Werner Baur